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Titel

Murmelestour

- Mit dem Rennrad über den Schrofenpaß -
von Eckart Heinrich

Inhalt:


Die Idee

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Immer wieder habe ich mir die "Murmelestour" vorgenommen. Nie kam sie zustande, obwohl sie mich wirklich gereizt hat. Die Vielseitigkeit war es, die mich gelockt hat. Mit dem Rennrad über einen alten Schmuggelpfad. Für Wanderer ist der Schrofenpaß schon ein kleines Highlight. Der kurze, mit einem Seil gesicherte Steig bietet mit dem Rennrad bestimmt ein besonderes Erlebnis. Aber auch die "An- und Abreise" bietet so einiges. Schöne Nebenstraßen, Gebirgstäler, heftigste Anstiege und drei Straßenpässe. Irgendwann stellen Peter und ich fest, daß wir die gleiche Idee mit uns herumtragen und so kommt es endlich dazu, daß die Tour in Angriff genommen wird...


Die Route

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Oy-Mittelberg (938m) - Wertach (915m) - Dreiangelhütte (Königssträßle) (989m) - Sonthofen (743m) - Altstätten (750m) - Reichenbach (867m) - Oberstdorf (813m) - Fellhornbahn Talstation (904m) - Birgsau (950m) - Speicherhütte (1500m) - Schrofenpaß (1687m) - Lechleiten (1539m) - Steeg (1124m) - Bach (1066m) - Häselgehr (1006m) - Stanzach (939m) - Weißenbach (885m) - Nesselwängle (1136m) - Tannheim (1097) - Oberjoch (1200m) - Unterjoch (1013m) - Wertach (915m) - Oy-Mittelberg (938m)


Die technischen Daten

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Strecke: 155 km; Fahrzeit: 6:50 h; Unterwegs: 11:30 h; Schnitt: 22.8 km/h; circa 1600 Höhenmeter


Die Tour

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Am 7. Oktober 1997 um 8.00 Uhr geht es los. Nach einer schier endlosen Schönwetterperiode haben wir uns -am ersten nicht so schönen Tag- endlich dazu entschlossen, die Murmelestour zu fahren. Die Straßen sind noch naß. Es hat in der Nacht geregnet. In der Hoffnung, daß das Wetter hält, fahren wir los.

Wir lassen es ruhig angehen. Wir haben die Nebenstraße nach Wertach gewählt. Es herrscht reger Viehtrieb, dafür ist kein Auto unterwegs. Die Luft ist herrlich frisch, wie sie es oft nach einem großen Regen ist.

Richtung Sonthofen fahren wir über das Königssträßle. Hier sind wir völlig von Autos befreit. Kein Mensch ist unterwegs. Wir kommen gut voran. Splitt auf der Straße verhilft uns bei einer verwinkelten Abfahrt zu einem heftigen Adrenalinschub. Am Ende vom Königssträßle geht es in engen, steilen Serpentinen hinab nach Sonthofen. Von hier geht es, wieder auf Nebenstraßen, über Reichenbach und Oberstdorf ins Birgsautal.

Um 10.30 Uhr, (bei 50,6 km) gibt's Brotzeit. Die Wolken sind leider dichter geworden und es fallen auch vereinzelte Regentropfen. Peter hat nicht mal eine Regenjacke dabei. Dafür hat er deutlich mehr Fressalien im Rucksack als ich. Ich überlege mir, wer da die bessere Taktik anwendet. (Trocken verhungern oder satt irgendwo unterstellen.)

Weiter geht es durchs Birgsautal. Um 12 Uhr gibt es eine Zwangspause. Peters Hinterreifen ist hinüber. Es hat sich eine richtige Blase gebildet, die uns neben der Lauffläche des Mantels angrinst. Ob das mit dem Alter des Mantels zusammenhängt? Peter hat ein Rennrad das sogar älter ist als meines. Mit schlauchlosen Reifen. Ich sage noch: "Ich wollte immer schon mal sehen, wie man so einen Reifen wechselt." Die prompte Antwort folgt: "Ich auch!" Dies ist doch der richtige Moment um zu testen wie die Schlauchlosen zu wechseln sind. Touren mit Peter sind immer wieder was besonderes.

Ungeübt aber nicht ungeschickt wechseln wir den Reifen und nach circa einer Stunde (!) geht es dann schiebend weiter in Richtung Schrofenpaß. Die Steigung hat inzwischen eine Dimension angenommen, die jenseits von gut und böse liegt. Also müssen wir schieben. So haben wir auch Gelegenheit uns noch über den Lehrer zu amüsieren, der uns beim Reifenwechsel helfen wollte. Noch weniger Ahnung als wir, aber jede Menge gute Ratschläge drauf. Witzig!

Um 13.45 Uhr sind wir auf der Schrofenpaßhöhe (1687m). Insgesamt haben wir wohl 30 bis 40 Minuten geschoben und getragen. Der Weg hier hinauf ist schon eine Schau. Wir haben Sportschuhe zum laufen mitgenommen. Mit Radelschuhen wäre das Unternehmen lebensgefährlich! Die Stelle, bei der man sich mit dem Rad kurz übrig vorkommt, ist die mit der Seilsicherung. Es geht über eine waagerecht angebrachte Aluleiter, die über einen Abgrund gelegt ist. Kritischer ist aber das Stück vorher, da es doch recht steil ist. Hier mit dem Rad auf der Schulter unterwegs zu sein erfordert Trittsicherheit.

Das Wetter weiß nicht so recht, was es werden soll. Es scheint aber nicht schlechter zu werden. Wenn es so bleibt, wollen wir zufrieden sein.

Schiebend und tragend geht es den Paß wieder hinunter und um 14.30 Uhr sind wir glücklich in Lechleiten und können wieder fahren. Den Weg hinab von der Paßhöhe haben wir nach circa 20 bis 30 Minuten bewältigt. In wilder Fahrt geht es die Straße hinab und wir können unseren Schnitt wieder etwas aufpeppeln.

An der ersten Tankstelle wird Peters Reifen wieder richtig unter Druck gesetzt. Nach unserer Reifenwechselaktion haben wir mit der Handpumpe nicht viel bares reinblasen können.

Weiter geht es Richtung Weissenbach. Das Lechtal ist - in dieser Richtung - toll zu fahren. Es geht in einer Tour bergab. Angeblich soll hier oft ein übler Gegenwind herrschen. Wir merken heute nichts davon. (Und das ist gut so!) Die Landschaft ist grandios. Viel Blick haben wir allerdings nicht dafür, da wir abwechselnd Windschatten fahren.

Kurz vor dem Abzweig Richtung Hahntennjoch dann der Hammer. Peter kommt mit seinem Vorderrad meinem Hinterrad zu nahe. Es gibt ein kurzes metallisches Geräusch und ich höre einen heftigen Fluch von hinten. Ich bekomme es gar nicht so richtig mit. Als ich mich umsehe, steht Peter mit seinem Rad in der Wiese und flucht heftig vor sich hin. Eine Speiche hat er ganz abgerissen und drei weitere sind verbogen.

Ich bin mir sicher, daß dies das Ende unserer Tour ist und überlege schon wo das nächste Telefon zu finden ist. Peter in seiner üblichen Seelenruhe zieht einen Speichenschlüssel aus seiner Werkzeugtasche und fängt an an seiner völlig verbogenen Felge (8x8=64) herumzuschrauben. Ich weiß nicht wie, aber er schafft es sein Rad wieder fahrbar zu zentrieren. Jede Wette hätte ich abgeschlossen, daß da nichts mehr zu machen ist. Man soll halt niemals nie sagen.

Schließlich kommen wir gegen 16.45 Uhr in Weissenbach an und kehren in einem Biergarten ein, um zu verschnaufen und eine Portion Pasta reinzuschieben. Das haben wir uns verdient. Bein Absteigen will ich mich aus den Klickies drehen, doch die Sohle meiner Schuhe bleibt am Pedal. Ich drehe praktisch meinen Schuh von der Sohle. Ich stehe da, als wäre Absatz in einem Gully abgebrochen. Schön blöd schaue ich aus der Wäsche. Peter findet's witzig. Aber auch hier hat er die rettende Idee. Mit doppelseitigem Klebeband (für seine schlauchlosen Reifen) klebt er meine Sohle wieder an den Schuh. "Das kann doch nicht halten!" Meinen Kommentar hätte ich mir sparen können. Es hält!

Um 17.30 Uhr, nach Pasta und Schuhreparatur, geht es dann Richtung Gaichtpaß. Den Paß haben wir schnell bezwungen. Die Pasta zeigt Wirkung. Im Tannheimer Tal habe ich einen Einbruch und komme Peter nur schwer hinterher. Irgendwann ist er in der Ferne verschwunden. Ich versuche mich an der Schönheit des Tannheimer Tales wieder aufzubauen. Rote Flüh und Gimpel stehen da in voller Pracht. Der Haldensee glitzert vor sich hin. Mehr schlecht als recht kämpfe ich mich weiter. Nach dem Grenzübergang in Schattwald geht es noch mal richtig zur Sache.

In Oberjoch schließlich haben wir nur noch negative Höhenmeter vor uns und ich sehe wieder Land. Die letzten Kräfte mobilisierend geht es weiter Richtung Wertach. Dort ist es schon fast dunkel. Über die Nebenstraße fahren wir über Faistenoy zurück nach Oy. Kurz vor Oy bricht nochmal eine von Peters Speichen. Die erhöhten Spannungen in seinem Vorderrad fordern Tribut. Um 19.30 Uhr sind wir endlich wieder am Ausgangspunkt. Inzwischen ist es dunkel und wir werden schon heftig erwartet.

Unseren verspäteten Siegercappuccino haben wir uns auf jeden Fall verdient. Mann war das ne' Tour. Da ist doch alles schiefgegangen, was schiefgehen kann. Aber es war trotzdem, oder vielleicht wegen diesen vielen Pannen eine Supertour. So etwas müssen wir unbedingt wieder mal machen...


Anmerkungen zur Tour

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Den Schrofenpaß mit Rennrad oder Mountainbike zu befahren gibt immer wieder Anlaß zu Diskussionen. "Da gehören keine Räder hin!" sagen die einen. "Das muß jeder für sich selber entscheiden!" sagen die anderen. Die Diskussion wurde 1998 durch einen Unfall wieder angeheizt. Ein Radfahrer ist am Schrofenpaß tödlich verunglückt. Ich bin der Ansicht, daß jeder sich und seine Fähigkeiten selber einschätzen muß. Um dies zu können, müssen die Schwierigkeiten der Strecke bekannt sein. Aus diesem Grund weise ich darauf hin, daß man für die Begehung des Schrofenpasses trittsicher und schwindelfrei sein muß! Die gilt umso mehr, wenn man zusätzlich noch sperrige 11 kg Fahrrad mit sich herumträgt.

Mit Rennradschuhen ist die Begehung nicht möglich. Also feste Schuhe mit Profilsohle mitnehmen. Seid freundlich zu den Wanderern. Die meisten sind freundlich gesinnt und voller Bewunderung für die Radler, die sich diesen Paß geben. (An Wochenenden sollen hier sogar schon mehr Radler als Wanderer gesichtet worden sein!) Ein freundliches "Grüß Gott" nimmt allen Kritikern den Wind aus den Segeln. Es ist wie überall: "Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus".

Ein Zeitpolster kann bei so einer Tour nie groß genug sein. Sicher geht nicht immer alles schief, aber man kann auch nicht damit rechnen, daß man ohne Probleme mit einem 30er-Schnitt durch die Bergwelt brausen kann. Genau überlegen sollte man auch, ob man sein Rad circa eine Stunde durch die Pampa tragen (!) mag. Wer da bedenken hat, der sollte dieses Unternehmen vielleicht gleich vergessen.

Mit dem Mountainbike kann man die Schiebephase am Schrofenpaß verkürzen. (Bergauf kann man mehr fahren und bergab ist fast alles fahrbar.) Leider ist der Rest der Tour mit dem Mountainbike nicht so toll. Es ist halt viel Strecke zurückzulegen und es findet – außer dem Schrofenpaß – alles auf der Teerstraße statt. Ich habe beide Variationen ausprobiert und mir hat die Tour mit dem Rennrad besser gefallen.


verwendete Karten

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Die komplette Tour (bis auf eine winzige Ecke bei Wertach) ist auf folgende Karten zu finden:
- Topokarte des Bayerischen Landesvermessungsamtes - UK L 10 - "Füssen und Umgebung" 1:50000
- Topokarte des Bayerischen Landesvermessungsamtes - UK L 8 - "Allgäuer Alpen" 1:50000

Die winzige kleine Ecke ist auf dieser Karte zu finden:
- Topokarte des Bayerischen Landesvermessungsamtes - UK L 17 - "Kempten und Umgebung" 1:50000

Wirklich die komplette Tour ist auf dieser Karte zu finden:
- RegioCart (RV-Verlag) "Allgäu, Bregenzer Wald, Lechtal" 1:75000


Stand: 9.05.2009
© by E.Heinrich